Carl Friedrich Rungenhagen zum 170. Todestag

27.09.1778 bis 21.12.1851

Von Martina Samulat-Gede

Nur wenige Tage vor Weihnachten, am 21. Dezember 1851 vor 170 Jahren, verstarb der heute nur noch wenigen bekannte Carl Friedrich Rungenhagen, der in seiner Schaffenszeit als Dirigent, Pädagoge und Komponist hohe und angesehene Ämter bekleidete. Allein 36 Jahre stand er der Sing-Akademie zu Berlin vor, zuerst als Vizedirektor (17 Jahre) und dann als Direktor (19 Jahre), war zum Königlichen Musikdirektor und Professor ernannt und an die Preußische Akademie der Künste berufen worden.

Rungenhagen wurde am 27. September 1778 in Berlin geboren und wuchs in einer Kaufmannsfamilie auf. Der junge Rungenhagen zeigte sich auf den Gebieten der Musik und der Malerei begabt. Sein Vater, der Kaufmann Johann Peter Rungenhagen, willigte nur ungern in das Kunststudium des Sohnes an der Berliner Akademie der Künste ein, denn er war eher bestrebt, aus dem Sohn einen Kaufmann zu machen, um ihn in seine Geschäfte einzubeziehen. Als sich dann deutlich abzeichnete, dass seine künstlerische Entwicklung nur mäßig voranschritt, trat er in den Berufsstand des Vaters ein. Neben der kaufmännischen Tätigkeit übte er sich weiter im Zeichnen und Malen bei den beiden Lehrern Franz Catel (1778-1856) und Daniel Chodowieki (1726-1801). Auch ging er seinen musischen Neigungen nach und nahm Unterricht bei dem Bassisten Emil Fischer und dem Konzertmeister Carl Benda (1748-1836). Grundbegriffe der Harmonielehre und der Satzkunst lernte er anhand der Türkschen Generalbassschule.

Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1796 ging der gerade 18jährige Rungenhagen konzentriert seinen Musikstudien nach. In verschiedenen Funktionen, so als Komponist, Dirigent, Maler, Sänger und Schauspieler, nahm er Aufgaben für den Bildungs- und Lesezirkel „Urania“ wahr. 1801 trat er in die Sing-Akademie ein und wurde alsbald mit öffentlichen Konzerten und anderen Musikveranstaltungen in Berlin bekannt.

Er stand mit bedeutenden Musikern im Kontakt, zu denen beispielsweise Anselm Weber (1766-1821), Carl Ludwig Hellwig (1773-1838), Georg Abraham Schneider (1770-1839), Carl Maria von Weber (1786-1826) und gleichfalls der Direktor der Sing-Akademie, Carl Friedrich Zelter (1758-1832), gehörten. Zu nennen ist außerdem seine enge Verbindung zum Personenkreis der Berliner Liedertafel, der er übrigens selbst angehörte und für die er zahlreiche Männerchöre schrieb. Neben führenden Musikern wie Carl Friedrich Zelter, dem Gründer der Liedertafel, traf er hier zudem anerkannte Sänger und Schauspieler, wie Eduard Devrient (1801-1877), ferner Mitglieder von Fürstenhäusern, wie Boguslaw Fürst von Radziwill (1809-1873), und außerdem den Generalintendanten der Königlichen Schauspiele in Berlin, Carl von Brühl (1772-1837).

Auf Vorschlag Carl Friedrich Zelters übernahm er 1814 das Amt des Vizedirektors an der Sing-Akademie. Neben seiner Unterrichtstätigkeit widmete er sich intensiv seinem eigenen Musikstudium. In den folgenden Jahren schrieb er zahlreiche eigene Werke, darunter Kanons, Choräle, Fugen, aber auch große Werke, wie Sinfonien, Kantaten und Oratorien. Auch komponierte er persönliche Gesangsstücke, wie das einer Kantate zum 70. Geburtstag von Zelter, zu der Johann Wolfgang von Goethe den Text verfasst hatte.

1825 wurde Rungenhagen zum Königlichen Musikdirektor ernannt. Nach dem Tod Zelters (1832) wurde er Anfang 1833 zum neuen Direktor der Sing-Akademie gewählt. Noch im gleichen Jahr wurde er in die Akademie der Künste berufen, wo er in der neu eingerichteten Sektion Musik eine Lehrstelle für Komposition erhielt und neben seinem Unterricht Vortragsabende mit seinen Schülern ausrichtete.

Weitere Titel und Auszeichnungen erhielt Rungenhagen in den folgenden Schaffensjahren: 1843 folgte seine Ernennung zum Professor und 1844 zum korrespondierenden Mitglied der niederländischen Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst, 1851 wurde ihm der Rote Adlerorden anlässlich seiner 50jährigen Mitgliedschaft in der Sing-Akademie verliehen.

In den Jahren als Direktor der Sing-Akademie setzte er sich für die Pflege Alter Musik ein, vorzugsweise für Werke von Johann Sebastian Bach (1685-1750) und Georg Friedrich Händel (1685-1759). Er war aber gleichermaßen offen für die neuen Richtungen der Musik und führte beispielsweise Werke von Felix Mendelsohn-Bartholdy (1809-1847), Robert Schumann (1810-1856), Ludwig Spohr (1784-1859) und Karl Loewe (1796-1869) auf.

Rungenhagen fiel das Komponieren sehr leicht und das tat er wohl auch leidenschaftlich gern. So mag sich die außerordentlich große Anzahl seiner geschaffenen Musikwerke erklären, zu denen Oratorien, Opern, Singspiele, Kantaten, Hunderte von Motetten, Kanons, Fugen, verschiedenste Singstücke und auch Instrumentalwerke gehören.

Am 21. Dezember 1851 verstarb Rungenhagen, treu begleitet von seinem Nachfolger Eduard Grell (1800-1886). Am Weihnachtsabend nahmen die Mitglieder der Sing-Akademie von ihrem langjährigen Direktor Abschied. Rungenhagen wurde auf dem Dorotheenstädtischen und Friedrichswerderschen Friedhof I in Berlin-Mitte nicht weit entfernt von der Grabstelle seines langjährigen Freundes Gottfried Schadow (1764-1850) beigesetzt.

Sein Grabdenkmal gehört zu den bemerkenswerten Erinnerungsmalen des Friedhofs, bei denen eine Liegeplatte die Grabstelle vollständig bedeckt und zusammen mit den anderen Elementen der Grabmalsarchitektur zu einem Ensemble verschmilzt. Nur wenig ragt die steinerne, metallbeschichtete Liegeplatte über das Bodenniveau hinaus, so dass der Besucher sie im ersten Moment kaum wahrnimmt. Darauf erhebt sich am Kopfende eine Granitstele, auf der sich über einem angestuften Aufsatz ein hohes lateinisches Kreuz erhebt. Im oberen Drittel der durch einen breiten Rahmen betonten Stelenfront befindet sich ein Portraitmedaillon Rungenhagens im fortgeschrittenen Alter. Das von Umwelteinflüssen stark angegriffene Original wurde 2002 durch eine Kopie des Bildhauers Hans Starcke ersetzt. In goldenen Lettern steht unterhalb des Bildnisses Name, Titel, die wichtigsten Stätten der Berufsausübung und die Lebensdaten:

„CARL FRIEDRICH / RUNGENHAGEN / Professor und Mitglied des Senats / der Königlichen Akademie der Künste / Direktor der Sing Akademie / geboren 27. September 1778 / gestorben 21. December 1851“.

Mit etwas Abstand, den drei fein gestaltete Kreise halten, folgt darunter ein Bibelvers aus der Offenbarung des Johannes (Kap. 2,10):

„Sei getreu bis in den Tod / so will ich dir / die Krone des Lebens geben“.

Mit dem Bibelvers wird demjenigen ewiges Leben verheißen, der in seinem Glauben an Jesus Christus treu bleibt. Die Krone ist als Sinnbild für das Heilsversprechen zu verstehen, sie ist das verbindende Element zwischen Christus und dem hier Verstorbenen. Mit dem Bibelvers korrespondiert das die Stele bekrönende Kreuz als Symbol für die Auferstehung Christi und seinen überwundenen Tod.

An die Stelenseiten grenzen zwei schmale Pfosten, die der Verankerung des Gitters dienen, das an den Längsseiten und an der der Stele gegenüberliegenden Breitseite, dem Fußende der Liegeplatte, entlanggeführt und mit dieser auch am Boden verschweißt ist. Den oberen Rand des Gitters säumen Mohnkapselsträuße, die in quadratischen Feldern jeweils drei der schmalen, dicht aneinandergereichten Gitterstäbe zusammenfassen. Als Sinnbilder des Schlafes ergänzen sie die christliche Todessymbolik. Das Gitter verbindet alle Architekturteile, verschließt und begrenzt zugleich den Grabraum, in dem der Verstorbene gleichsam wie in einem Totenbett ruht.

Bildnachweis:

Grabdenkmal Carl Friedrich Rungenhagen und Detailaufnahme des Portraitmedaillons, Dorotheenstädtischer und Friedrichswerderscher Friedhof I, Berlin, Fotos von Martina Samulat-Gede, 2011

Literaturhinweise

– Thomas-M. Langner, Rungenhagen, Karl Friedrich, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, begr. v. Friedrich Blume, hrsg. v. Ludwig Finscher, Bd. 11, Kassel u. a. 1963, Sp. 1118 ff.

– Thomas-M. Langner, Rungenhagen, Karl Friedrich, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, begr. v. Friedrich Blume, hrsg. v. Ludwig Finscher, Bd. 14, Kassel u. a. 2005, Sp. 683 f.

Musikalisches Conversations-Lexikon. Eine Encyklopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften für Gebildete aller Stände, begr. v. Hermann Mendel, Bd. 8, Berlin 1881, S. 465 f.

– Georg Schünemann, Die Singakademie zu Berlin, 1791-1941, Regensburg 1941

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