1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland

Hermann Cohen
Philosoph, Hochschullehrer, Geheimer Regierungsrat
* 04.07.1842
† 04.04.1918

Jüdischer Friedhof Berlin – Weissensee
Nr. 3 (www.wo-sie-ruhen.de)

Der Nachname des Neukantianers und jüdischen Philosophen Hermann Cohen, im übrigen schnell verwechselt mit dem später zum Katholizismus konvertierten Pianisten und Karmeliterbruder (1820-1871) gleichen Namens, verweist auf die Abkunft von Kohanim. Die Kohanim übten im Tempel ihren Dienst am Altar aus. Sie gelten als direkte Nachfahren des Mosesbruders Aaron. An den Grabmälern von Kohanim abstammenden Personen finden sich oft, wie am Grab Hermann Cohens auch, zwei zu einer Raute unter einer Krone zusammengeführte Hände als Symbol der Abstammung. Hermann Cohen war der Sohn des Lehrers und Kantors Gerson Cohen. Am Jüdisch-Theologischen Seminar in Breslau und ab 1861 an der Universität in Berlin studierte er jüdische Theologie, Altertumswissenschaften und Philosophie. Seine Lehrer waren damals namhafte Wissenschaftler wie Friedrich Adolf Trendelenburg, Heymann Steinthal, August Boeckh und Emil du Bois-Reymond. 1870 veröffentlichte Cohen einen Beitrag zur schwelenden akademischen Kontroverse über die Auslegung der Philosophie Immanuel Kants. In seiner Veröffentlichung „Kants Theorie der Erfahrung“ schlug er eine Neuinterpretation Kants vor und etablierte sich, neben dem Philosophen Paul Natorp (1854-1945), zu einem der Hauptvertreter des Marburger Neukantianismus. 1873 habilitierte er in Marburg mit einer Arbeit über „Die systematischen Begriffe in Kants vorkritischen Schriften“. Seit 1876 wirkte Cohen als Professor für Philosophie an der Universität Marburg. 1878 heiratete er Martha Lewandowski, die Tochter des Komponisten Louis Lewandowski. Ein Jahr nach seiner Emeritierung 1912 zog Cohen nach Berlin. Hier unterrichtete er an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Während zuvor die Empirie, die auf Erfahrung beruhende Erkenntnis als Notwendigkeit für das Verständnis des Seins in seinem philosophischen Fokus stand, wandte er sich in Berlin verstärkt der Religionsphilosophie zu. Politisch stand er dem Sozialismus nahe. Aus seiner Auffassung eines „ethischen Idealismus“ heraus forderte er das Recht der Juden, ohne die christliche Taufe gleichberechtigte Deutsche zu sein. Posthum erschien 1919 sein wichtigstes religionsphilosophisches Werk „Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums“.

Das aus Muschelkalkstein gearbeitete Grabzeichen zitiert eine seit der Antike bekannte Form des Sarkophaggrabmals. Die Stirnwangen sind wie Hausfassaden hoch gezogen und schützen den Sargkasten, der mit einer den Toten überschwänglich preisenden Inschrift geschmückt ist.

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