Wolfgang Borchert

Dichter, Schriftsteller
* 20.5.1921
† 10.11.1947

Als zweite Persönlichkeit, die auf dem Ohlsdorfer Friedhof begraben ist, erinnern wir an den Dichter und Schriftsteller Wolfgang Borchert.

Über Wolfgang Borcherts Leben und Werk hat Heinrich Böll geschrieben:

… Er hatte keine Zeit, und er wusste es. Er zählte zu den Opfern des Krieges, es war ihm über die Schwelle des Krieges hinaus nur eine kurze Frist gegeben, um den Überlebenden, die sich mit der Patina geschichtlicher Wohlgefälligkeit umkleideten, zu sagen, was die Toten des Krieges, zu denen er gehört, nicht mehr sagen konnten: dass ihre Trägheit, ihre Gelassenheit, ihre Weisheit, dass alle ihre glatten Worte die schlimmsten ihrer Lügen sind.

Borchert, einer der bedeutenden deutschen Dichter seiner Zeit, kam als Sohn eines Volksschullehrers und einer Schriftstellerin zur Welt, machte eine Ausbildung zum Buchhändler und nahm nebenbei auch Schauspielunterricht. Seine offene Gegnerschaft zum NS-Regime brachte ihn als Soldat immer wieder in Schwierigkeiten. Mehrfach wurde er verhaftet und verurteilt. Während der Haftzeit erkrankte er an einem Leberleiden, von dem er sich nach dem Krieg, trotz eines Kuraufenthaltes in der Schweiz, nicht mehr erholte. Bis Ende 1946 veröffentlichte er in rascher Folge Prosastücke, eine Sammlung früherer Gedichte und sein berühmtestes Werk, das Theaterstück „Draußen vor der Tür“. Trotz allem Leid hat Wolfgang Borchert das Leben geliebt. Er schrieb einmal über sich: Lieber ganz gestorben und gelebt – als alt geworden und die Welt nur tropfenweise genossen.

Einen unverkennbaren Einfluss auf sein literarisches Werk übte u. a. auch seine Liebe zu Hamburg aus. In seinem Lobgesang auf seine Heimatstadt beschrieb er auch den Ohlsdorfer Friedhof, auf dem er nun selbst begraben liegt:

Hamburg! Das sind die tropischen tollen Bäume, Büsche und Blumen des Mammutfriedhofs, dieses vögeldurchjubelten gepflegtesten Urwaldes der Welt, in dem die Toten ihren Tod verträumen und ihren ganzen Tod hindurch von den Möwen, den Mädchen, Masten und Mauern, den Maiabenden und Meerwinden phantasieren. Das ist kein karger militärischer Bauernfriedhof, wo die Toten (in Reih und Glied und in Ligusterhecken gezwungen, mit Primeln und Rosenstöcken wie mit Orden besteckt) auf die Lebenden aufpassen und teilnehmen müssen an dem Schweiß und dem Schrei der Arbeitenden und Gebärenden – ach, die können ihren Tod nicht genießen…

Sein Urnengrab deckt eine kleine, gestufte Liegeplatte, auf der seine Lebensdaten und die seiner Eltern verzeichnet sind, die an der gleichen Stelle bestattet wurden. Das Umfeld der Grabstätte wird im Volksmund auch „Dichterecke“ genannt.

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