RUDOLF VIRCHOW Arzt, Politiker und Archäologe
* 13. Oktober 1821 in Schivelbein; † 5. September 1902 in Berlin
Am 13. Oktober 1821 wurde Rudolf Ludwig Carl Virchow im pommerschen Schivelbein (heute Swidwin, Polen) geboren. Als einziges Kind seiner Eltern Carl und Johanna (geb. Hesse) Virchow wuchs er in kleinbäuerlichen, finanziell beengten Verhältnissen auf.
Mit 18 Jahren nahm er als Stipendiat an der Berliner Militärärztlichen Akademie sein Medizinstudium auf. Vier Jahre später promovierte er in einem Teilgebiet der Pathologie und übernahm 1844 eine Assistenzstelle an der Berliner Charité. 1846 legte er sein medizinisches Staatsexamen ab und wurde ein Jahr später in Berlin habilitiert.
Während der Märzrevolution 1848 beteiligte sich Virchow aktiv am Barrikadenbau und vertrat linksliberale, reformerische Forderungen. Als Folge seines politischen Engagements verlor er seine Stellung in Berlin und folgte alsbald einem Ruf an die Universität Würzburg als ordentlicher Professor für pathologische Anatomie. In Würzburg heiratete er Rose Mayer, die Tochter des Geheimen Sanitätsrats Karl Wilhelm Mayer. Das Paar bekam sechs Kinder: drei Mädchen und drei Jungen.
1856 kehrte Rudolf Virchow nach Berlin zurück. Die preußische Regierung hatte ihm die Leitung des neu gegründeten pathologischen Institutes der Charité angetragen. Hier baute er die vorhandene pathologisch-anatomische Sammlung aus. Ab 1899 war diese im neu errichteten Pathologischen Museum – dem heutigen Berliner Medizinhistorischen Museum an der Charité – frei zugänglich. Mit der Veröffentlichung seiner Theorie der Zellularpathologie begründete Virchow eine neue naturwissenschaftliche Krankheitslehre. Demnach können alle Krankheitszustände des Organismus auf krankhafte Veränderungen der Körperzellen zurückgeführt werden. Diese Erkenntnis löste die jahrhundertealte Theorie ab, welche Krankheit als eine Störung des Säftesystems (Blut, Schleim, Galle und Schwarzgalle) verstand.
In Berlin drängte es den Arzt erneut politisch aktiv zu sein. Als Stadtverordneter engagierte er sich kommunalpolitisch und setzte sich u. a. für eine medizinische Grundversorgung der Bevölkerung und den Bau städtischer Krankenhäuser ein. Auf seine Initiative erhielt die rasch wachsende Metropole als eine der ersten europäischen Großstädte eine moderne Kanalisation mit zentraler Wasserversorgung. 1861 gehörte Virchow zu den Mitbegründern der Deutschen Fortschrittspartei, wurde Mitglied des Preußischen Landtages und war von 1880 bis 1893 Reichstagsabgeordneter.
Neben seiner medizinischen Berufung und dem Wirken als Politiker befasste sich Virchow intensiv mit der Archäologie, Anthropologie und Ethnologie. Er war Mitbegründer sowohl der Deutschen als auch der Berliner Anthropologischen Gesellschaft und Herausgeber der Zeitschrift für Ethnologie. Als Freund und Förderer Heinrich Schliemanns beteiligte er sich seit 1897 an dessen Ausgrabungen in Troja.
Als Virchow am 13. Oktober 1901 seinen 80. Geburtstag feierte war er im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte. Knapp elf Monate später verstarb er. Zu Beginn des Jahres 1902 war Virchow beim Ausstieg aus einer elektrischen Straßenbahn gestürzt und hatte sich einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen. Der Bruch heilte, jedoch konnte er sich von den mittelbaren Folgen des Sturzes nicht mehr erholen. Nach zwei Kuraufenthalten verbrachte er die letzten Tage seines Lebens in seiner Berliner Wohnung in der Schellingstraße. Am 5. September 1902 verstarb Rudolf Virchow.
Die Anteilnahme an seinem Tod war ernorm. Selbst Kaiser Wilhelm II. übersendete ein Beileidstelegramm. Am Tag der Beisetzung, am 9. September 1902, ehrte man Rudolf Virchow mit einem festlichen Trauerakt im Berliner Rathaus. Zehntausende säumten den Weg zum Friedhof.
Virchows Ehrengrab befindet sich auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg. Der Architekt Gustav Knoblauch (1833-1916) entwarf das Grabmal aus einer bossierten dunklen Granitstele umfasst von einem schmiedeeisernen Gitter auf Granitschwellen. In einer aufgesetzten, polierten und ebenfalls dunklen Granitplatte stehen in weißen Lettern die Geburts- und Sterbedaten Rudolf Virchows und seiner elf Jahre später verstorbenen Ehefrau Rose Virchow. Das reich verzierte Grabgitter misst einen Umfang von 2,40 x 3 Meter. Gustav Knoblauch war Sohn von Eduard Knoblauch (1801-1865), der an der Oranienburger Straße die Neue Synagoge baute. 1863 übernahm der Sohn das väterliche Atelier und schuf zahlreiche Berliner Wohn- und Geschäftshäuser sowie Friedhofsbauten.
Auf dem Karlplatz in Berlin-Mitte steht das von Fritz Klimsch (1870-1960) in den Jahren 1906-1910 gestaltete Rudolf-Virchow-Denkmal. Das an der Zufahrtstraße zur Wirkungsstätte Virchows, der Charité, befindliche Denkmal zeigt eine allegorische Darstellung vom Kampf des Menschen gegen die Krankheit. Vier kräftige dorische Muschelkalksäulen tragen die bewegte Szene des entschlossenen Kampfes einer männlichen Aktfigur gegen ein scheinbar unbezwingbares Fabelwesen in Gestalt einer Sphinx. Das Denkmal ist jüngst restauriert worden.
Text und Fotos: Juliane Bluhm