Ernst Jakob Renz (1815-1892)

Zum diesjährigen 120. Todestag des Berliner Zirkuskönigs am 3. April

Auf dem Neuen Dorotheenstädtischen Friedhof an der Liesenstraße in Berlin Wedding ruht der bekannte Zirkusdirektor Ernst Jakob Renz (1815-1892). Die Grabstätte der Familie Renz ist als Ehrengrab des Landes Berlin verzeichnet.

Athletik, Gymnastik und Kunstreiterei
Der Name Renz ist unmittelbar mit der Berliner Zirkusgeschichte verbunden. Bevor Ernst Jakob Renz im Jahr 1846 mit seinem eigenen Zirkus auf Gastspielreise nach Berlin kam, wurde der junge Seiltänzer-Sohn zunächst „in der Athletik, Gymnastik und Kunstreiterei, in der Pferdedressur und im Schulreiten“ ausgebildet. Als Kind eines armen Gauklerehepaares 1815 „auf dem Durchzug“ in Böckingen bei Heilbronn geboren, wurde Ernst mit sechs Jahren Schüler des Seiltänzers Maxwell. Später wirkte er als Mitglied des Circus de Bach in Wien – der bedeutendsten Kunstreitertruppe zu dieser Zeit. Schon bald ließen Talent und Fleiß den jugendlichen Artisten zu einem gefragten Mitglied der Truppe werden. Wenig später übernahm ihn Rudolf Brilloff gegen Zahlung einer Ablösesumme in seinen Zirkus und Renz reiste mit Brilloff mehrere Jahre durch Deutschland. Nach dem Tod Brilloffs im Jahr 1842 löste dessen Witwe die Gesellschaft auf. Ernst Renz erhielt seine drei Lieblingspferde Soliman, Clarissa und Felis, die dazugehörigen Requisiten und zwei Wagen, sowie seine Kostüme. So ausgestattet begann er seine Karriere als Zirkusdirektor und begab sich mit eigener Truppe auf Wanderschaft.

Der Circus Renz in Berlin
Nach Berlin führten ihn zunächst verschiedene Gastspiele, so 1846/47 in die Köngstädtische Reitbahn in der Sophienstraße 16, 1848 mit einem eigenen Holzzirkus auf den Donhöffplatz und1850 feierte er Premiere des „Olympischen Circus“ in der Charlottenstraße 90. Seit Dezember 1850 lag Renz im Konkurrenzkampf mit dem Franzosen Louis Dejean, der mit seinem „Cirque National de Paris“ in einem eigens dafür erbauten Gebäude in der Friedrichstraße 141a spielte. Der Berliner Zirkusdirektor konnte sich jedoch in Eleganz und Sauberkeit der Darbietungen sowie in Kostümierung und Einrichtung mit dem Konkurrenten aus Paris messen und als dieser im Frühjahr 1852 sein Gastspiel an der Spree beendete, zog Renz in den freigewordenen komfortablen Bau in der Friedrichstraße. Im Folgejahr musste die „Volkszeitung“ am 29. November unglücklicherweise berichten, dass „der Renz’sche Zirkus ein Raub der Flammen geworden ist“ . Renz zog abermals um – nun in das „Circus-Theater“ am Weinbergsweg vor das Rosenthaler Tor. Die dortige Saison dauerte bis zum Januar 1854. In den Jahren 1855 bis 1876 spielte Renz wieder an der Friedrichstraße in einem Bau, den der Zimmermeister Otto nach Pariser Muster errichtet hatte. Diesen neuen Ottoschen Circus, der Platz für 3 000 Zuschauer bot, kaufte Ernst Renz im Jahr 1863 für 120 000 Thaler, ließ in einige Jahre später umbauen und verkaufte Grundstück und Gebäude schließlich 1872 an die „Deutsche Eisenbahn-Bau-Gesellschaft“. Heute steht an der Stelle des Zirkus’ Renz der Bahnhof Friedrichstraße. Im April 1879 wurde der „Markthallenzirkus“ frei und Renz konnte unweit der Friedrichstraße am Schiffbauerdamm in seine endgültige und letzte Berliner Spielstätte ziehen. Sieben Jahre nach Einzug erwarb er den Bau. 1888/89 investierte Renz in Umbau und Sanierung und ließ einen Zuschauerraum für 8 000 Zuschauer errichten. Seit 1891 lautete die Adresse Am Zirkus 1. Die kleine Nebenstraße gibt es heute noch in unmittelbarer Nähe des Berliner Ensembles am Schiffbauerdamm.

Am 3. April 1892 verstarb Ernst Jacob Renz. „Seine Bestattung am 6. April vom Trauerhause aus nach dem Dorotheenstädtischen Kirchhofe in der Liesenstraße bildete eines der großartigsten Trauerschauspiele, die in Berlin gesehen wurden.“ Auch die Direktoren Busch und Gotthold Schumann erwiesen ihm die letzte Ehre. Renz war zum Kommissionsrat und zum Ritter des Kronenordens ernannt worden und 16facher Goldmarkmillionär. Neben Berlin hatte der Zirkus Renz auch feste und höchst prunkvoll ausgestattete Häuser in Wien, Breslau und Hamburg. Sein Sohn Franz Renz trat ein großes Erbe an, er übernahm die Zirkusleitung. Bereits fünf Jahre nach dem Tod des alten Renz musste er das Unternehmen aufgrund finanzieller Schwierigkeiten verkaufen. 1899 erwarb Zirkusdirektor Albert Schumann den Renzschen Zirkus und betrieb ihn bis 1918. Danach erwarb ihn Paul Busch. Heute tragen verschiedene Zirkusunternehmen in Deutschland und den Niederlanden den Namen Renz in ihrem Namen.

„Die Königin von Abessinien“
Ein halbes Jahrhundert prägte Ernst J. Renz die Geschichte des Berliner und des europäischen Zirkus. Er entwickelte die Charakteristika des klassischen Zirkusprogramms mit Dressur, Artistik und Clownerien – eine Struktur, die heute noch gezeigt wird. In seinem Repertoire erreichte er eine enorme Vielfalt indem er beinahe täglich das Programm wechselte. Pferdedarbietungen standen stets im Mittelpunkt. Später schlossen sich an das rein zirzensische Nummernprogramm große Ausstattungspantomimen und Schaustücke an. Renz schuf monumentale und äußerst effektvoll in Szene gesetzte Ballettpantomimen und Stücke, für die jede Theaterbühne zu klein gewesen wäre. Das Publikum erfreute sich etwa an der „Die Königin von Abessinien“ – einer afrikanischen Darstellung mit Kamelen, Nationaltänzen, Gefechten, Jagd und Einfangen lebender Elefanten, Gazellen, Antilopen, Giraffen, Lamas und Kängurus. Die Zuschauer bestaunten auch Abnormitätenvorführungen wie eine Dame mit Vollbart, einen amerikanischen Liliputaner oder die siamesischen Zwillinge Chung und Eng. Der Name Renz war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Inbegriff höchster Zirkuskunst geworden.

Das Grabmal Ernst Jakob Renz
Ein mächtiger dunkler Granit-Obelisk trägt das Bronze-Portraitmedaillon des berühmten Zirkusdirektors. In goldener Inschrift steht darunter in großen Lettern Ernst Renz. Umfriedet wird die Grabstätte von einer Pfosten-Gitter-Konstruktion. Schmiedeeiserne Gitter und Rundpfosten aus Granit wechseln sich ab. Die Granitarchitektur ist ein Werk der renommierten Steinmetzfirma Kessel & Röhl. Eine Bezeichnung am äußeren Pfosten rechts unten weist darauf hin. Das Portraitrelief ist nicht mehr das ursprüngliche Werk, das der Bildhauer Heinrich Pohlmann (1839-1917) gefertigt hatte. Das Original ist verloren gegangen. Das heutige Medaillon stammt aus den Jahren 1984/85 und wurde 1985 anlässlich des 170. Geburtstages des Zirkus-Betreibers eingeweiht. Das Grabinnenfeld ist heute durch Nadelgehölz zugewachsen. Der Sockel des Obelisken ist nicht mehr sichtbar, auch Inschrift und Portrait sind kaum auszumachen.

Spendenaktion: Die Zirkus-Gräber Renz, Busch und Schumann
Neben Ernst Renz ruhen auch die Zirkusdirektoren Paul Busch (1850-1927) und Albert Schumann (1858-1939) auf dem Neuen Dorotheenstädtischen Friedhof. Alle drei Grabstätten sind von hoher kulturhistorischer Bedeutung für die Stadt Berlin sowie für die europäische Zirkusgeschichte. Die Grabanlagen bedürfen heute der helfenden Pflege. Insbesondere das Mausoleum Busch benötigt dringend eine grundlegende Sanierung, um es vor dem Verfall zu bewahren. Daher ruft die Stiftung Historische Friedhöfe auf zu einer Spenden- und Rettungsaktion. Spenden Sie für die dringlichst erforderlichen Klempner-, Dachdecker- und Sandsteinrestaurierungsarbeiten an Dach, Gruft und Giebelaufsatz am Mausoleum Busch.

Wir danken im Voraus ganz herzlich für Ihre Spende!

SPENDENKONTO
KVA Stadtmitte / Stiftung Kirchhöfe
Berliner Bank
BLZ 100 708 48
Konto Nr. 512 7006 01
Verwendungszweck: Busch

Quellen:
Etzold, Alfred: Der Dorotheenstädtische Friedhof. Berlin 1993, S. 199.
Stiftung Stadtmuseum Berlin (Hrsg.): Zirkus in Berlin. Berlin 2005, S. 67.
Klünner, Hans-Werner: 165 Jahre Zirkusstadt Berlin. Berlin 1986, S. 29.
Raeder, Alwill: Der Circus Renz in Berlin. Berlin 1897/97.
Kuhn, Jörg: Die Zirkus-Gräber Busch, Renz und Schumann auf dem Neuen Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin. Im Auftrag der Stiftung Historische Kirchhöfe und Friedhöfe Berlin-Brandenburg (dort vorliegend), Berlin 2010.

Text und Fotos: Juliane Bluhm

Stiftung Historische Kirchhöfe und Friedhöfe in Berlin-Brandenburg
Vorsitzender des Vorstandes: Peter Storck
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